BUND Landesverband Saarland

Foto: BUND Regionalgruppe Köllertal

Deutschlandweit werden pro Tag aktuell circa 60 Hektar Land zu Verkehrs- und Siedlungsflächen umgewandelt. Zunehmende Starkregenereignisse verursachen gerade im Umfeld versiegelter Gebiete große Schäden. Sinnvolle Vorsorge- und Schutzkonzepte sind bisher kaum zu finden. Dieser wichtigen Erkenntnis zum Trotze sollen im Regionalverband Saarbrücken eine Vielzahl von Neubaugebieten – vorranging auf Freiland‑, Landwirtschafts- und Waldflächen – neu erschlossen werden.

In Wahlschied, Holz und Eiweiler sind Erweiterungen von bestehenden Bau- und Gewerbegebieten im Flächenumfang von ca. 13 Hektar geplant. Auch hier soll Landwirtschaftsfläche umgewandelt werden. Am Heidenkopf und am Franzenbrunnen in Saarbrücken sowie auf der Feuchtwiese „Auf der Hahn“ in Riegelsberg sollen große Wohngebiete entstehen.

„Die Starkregenereignisse der jüngsten Vergangenheit haben uns vor Augen geführt, was uns zukünftig durch Klimaerwärmung und Flächenversiegelung öfter drohen wird: Verringerte Bodenversickerung führt zu einem beschleunigten Oberflächenabfluss und zu verstärkter Überschwemmungsgefahr. Während sich die Politik mit den Symptomen der Auswirkungen beschäftigt, setzen wir uns vom BUND für eine nachhaltige Flächenvorsorge ein“, so Christoph Hassel, Landesvorsitzender des BUND Saar.

Wie ein Schwamm speichert der Boden Regenwasser. Auf versiegelten Flächen wird dagegen kein Wasser gespeichert. Durch eine zusätzliche Kanalisation und Pumpwerke kann das Wasser nur umgeleitet, aber nicht aufgefangen werden. Die existierenden Freiland- und bewaldeten Flächen erfüllen also eine wichtige Funktion. Darüber hinaus spielt auch die Klimatisierung eine große Rolle. Die Feuchtwiese „Auf der Hahn“ in Riegelsberg dient beispielsweise dem Ort auch als Frischluftschneise. Durch Bebauung entstünde eine lokale Erwärmung bei gleichzeitig geringerem Luftaustausch.

Der Minister für Umwelt und Verbraucherschutz Reinhold Jost (SPD) rät Immobilienbesitzern zum Abschluss einer speziellen Versicherung, da die Folgen von Starkregen und Überflutungen durch die Klimaerwärmung zunehmen werden. Er denkt sogar über eine Verpflichtung zum Abschluss solcher Versicherungen nach. Andererseits soll das durch Landesmittel finanzierte Pilotprojekt „Starkregenvorsorgekonzept“ den Städten und Gemeinden geeignete Instrumente zur Vorsorge aufzeigen. Wie passen diese Aussagen zu den aktuellen Weichenstellungen der Landesregierung für neue Baugebiete in den Kommunen?

Für die Tier- und Pflanzenwelt sind Freilandflächen extrem wichtig. Ausgewiesene FFH-Gebiete (Fauna-Flora-Habitat-Gebiete) wie z.B. die „Wiesenlandschaft bei Wahlschied“, sollen einen Biotopverbund herstellen, um durch Vernetzung dem Erhalt der Biodiversität Rechnung zu tragen. Auf welchen Flächen aber soll diese Vernetzungsfunktion stattfinden, wenn nicht auf den extensiv bewirtschafteten Landwirtschafts- und Waldflächen? Werden extensive Landwirtschaftsflächen mit dem Argument, dass die landwirtschaftliche Produktion auf diesen Flächen ohnehin sehr niedrig sei, zurückgedrängt, dann bleiben nur noch die intensiv genutzten und mit Pestiziden überfrachteten Landwirtschaftsflächen übrig, die den Tod für viele Arten bedeutet. Die dringend notwendige Vernetzungsfunktion der FFH-Gebiete zum Erhalt der Artenvielfalt kann nicht erfüllt werden. So wird das Fortschreiten des Insektensterbens noch verstärkt.

„Für Feuchtwiesen, wie z.B. die Hahnhümes in Riegelsberg, können keine adäquaten Ausgleichsflächen hergestellt werden. Auch nicht, wenn für angedachte Ausgleichmaßnahmen sogenannte Ökokontopunkte erreicht werden können. Auf der Hahnhümes sind seltene und teils bedrohte Pflanzen zu finden, zum Beispiel das breitblättrige Knabenkraut (heimische Orchidee) und die Sumpfdotterblume. Es finden Wildwechsel statt, der bedrohte Rotmilan nutzt die Wiese als Jagdrevier“, so BUND-Mitglied Sascha Cavelius aus Riegelsberg.
Landwirtschaftliche Nutzfläche zur Tierfuttergewinnung geht unwiederbringlich verloren. Laut einer Studie des Umweltbundesamtes benötigt jeder Bundesbürger rund 0,24 Hektar Landwirtschaftsfläche für seine Ernährung. Das Saarland verfügt aber nur über rd. 770 000 Hektar Landwirtschaftsfläche. Mit dieser Fläche könnten nur ein Drittel der hiesigen Bevölkerung versorgt werden. Dies bedeutet, dass wir nicht in der Lage sind, im Saarland die an vielen Stellen gepriesene und für die Klimabilanz wichtige Regionalität der Anbauprodukte für jedermann zu garantieren. Die von der Großen Koalition im Saarland beabsichtigte und vom BUND begrüßte Ausdehnung des ökologischen Anbaus benötigt jedoch noch weitere Anbauflächen, um Ernährungssicherheit zu gewährleisten. Darüber hinaus zeigt der Klimawandel schon längst seine Folgen. Der trockene Sommer 2018 zeigte uns als Extrem, was in Zukunft droht. Die Auswirkungen werden aber nach derzeitigen Prognosen (und der Sommer 2018 hat das bestätigt) regional unterschiedlich ausfallen. Während in vielen Teilen der Republik für die Landwirtschaft der Notstand ausgerufen werden musste, waren die Ernteausfälle im Saarland deutlich, aber nicht in dem Ausmaß wie beispielsweise in Nordrhein-Westfalen oder in Brandenburg. Die Landwirtschaftsflächen im Saarland würden zukünftig, trotz der mäßigen Bodenwerte, sogar an Bedeutung gewinnen.

„In sämtlichen Teilen des Regionalverbandes Saarbrücken existieren große, brachliegende Flächen durch die Aufgabe von Gewerbe und Industrie. Es wäre nachhaltig, diese Flächen zu sanieren und zu erschließen. Zukunftsweisend wäre die Mehrfachnutzung bereits vorhandener, bebauter Flächen. Es müssen Ideen entwickelt werden, wie Anreize geschaffen werden können, damit die größtenteils in Unternehmens- und Privatbesitz befindlichen erschlossenen Grundstücke und leer stehende Bestandsimmobilien einer erneuten Nutzung zugeführt werden können“, so Peter Thomas, Vorstandsvorsitzender der BUND-Regionalgruppe Köllertal. So würde nicht nur die Versiegelung weiterer Flächen verhindert, sondern auch Verkehrswege vermindert.

In sämtlichen Ortschaften des Regionalverbandes Saarbrücken gibt es eine Vielzahl ungenutzter versiegelter Flächen. Es mangelt aber in der Regionalpolitik weiterhin an Konzepten, damit die Eigentümer zur Vermarktung motiviert werden. „Vielmehr setzt sich die Regionalpolitik immer stärker und realitätsfern für die Erschließung neuer Gebiete ein. Statt die Freiflächen als Spielball der Erschließungspolitik zu missbrauchen, sollte der Wert dieser Flächen für das Klima, für die Tier- und Pflanzenwelt und als Daseinsvorsorge für uns alle begriffen werden“, so Hassel.


Der BUND fordert deshalb

  • Verhinderung irreversibler Flächenzerstörung und Konzepte gegen Flächenfraß,

  • das Recycling von Altflächen zu Siedlungs- und Gewerbeflächen,

  • Konzepte für die Vermarktung ungenutzter Häuser und Einzelbaulücken,

  • Förderung der Wohnraumerweiterung bei bestehenden Gebäuden (z.B. „Aufstocken“),

  • die Umwandlung der Gewerbesteuer in eine paritätisch verteilte Landessteuer,

  • Förderung flächenhafter Versickerung von Niederschlagswasser, nahe am Entstehungsort,

  • vorgezogene Prüfung aller in Planung befindlichen Bebauungsgebiete im Hinblick auf die vom Wasserhaushaltsgesetz geforderte Ausweisung von Hochwasserentstehungsgebieten.

  • Einzugsgebiete von mit Fördermitteln des Landes konzipierten und umgesetzten Regenrückhaltebecken müssen automatisch als Hochwasserentstehungsgebiete ausgewiesen werden.


Peter Thomas  
(Vorsitzender BUND Regionalgruppe Köllertal)   

Christoph Hassel
(Landesvorsitzender BUND Saar)
  
 

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